Dimension 11 - Das Pflegenetzwerk
Wie setzt sich das Pflegenetzwerk zusammen und welchem Zusammenarbeitsmodell nach Renyi et al., lässt es sich zuordnen?
Die häusliche Pflege hat sich in ihrer Akteurszusammensetzung gewandelt. Pflegeaufgaben werden immer mehr durch netzwerkförmige Konstellationen aus Pflegebedürftigen, Angehörigen, professionellen Dienstleistern und teils auch freiwilligen Helfern geleistet. (vgl. Bubolz-Lutz & Kricheldorff, 2006, S. 13) Theoretisch sind auch Pflegesettings denkbar in denen nur eine pflegende Person vorkommt, formeller oder informeller Art. Basierend auf der vorangegangen Literaturrecherche kann jedoch davon ausgegangen werden, dass im Wesentlichen die drei folgenden Pflegenetzwerke vorliegen:
1. Helfermix bestehend aus unterschiedlichen formell Pflegenden
2. Helfermix bestehend aus formell Pflegenden und informell Pflegenden
3. Helfermix bestehend aus unterschiedlichen informell Pflegenden
Wörle et al. regen an, die Beteiligten innerhalb eines Pflegenetzwerkes weiter zu differenzieren, da die jeweilige räumliche Nähe oder Distanz zur gepflegten Person Einfluss auf die Übernahme spezifischer Aufgaben hat. Angehörige, die nicht im selben Haushalt leben, übernehmen typischerweise andere Verantwortlichkeiten als im Haushalt wohnende Angehörige. Diese Differenzierung hat direkte Auswirkungen auf die Organisation der Versorgung, da die verschiedenen Akteure ihre Aufgaben aufeinander abstimmen und miteinander kommunizieren müssen, um eine funktionierende Pflegekoordination zu gewährleisten. (vgl. Wörle et al., 2023, S. 69)
Zudem schlagen die Autoren vor, auch Fachärzte, und Erbringer therapeutischer Maßnahmen als Akteure in einem Pflegenetzwerk zu betrachten. Mit einer steigenden Anzahl von Beteiligten im Pflegenetzwerk wächst nicht nur die Vielfalt der übernommenen Aufgaben, sondern auch der Koordinationsaufwand. Besonders die Anforderungen an die Kommunikation innerhalb des Netzwerks nehmen mit der Anzahl der Akteure zu, da verschiedenste pflegerische, medizinische und alltägliche Aufgaben wie Arzttermine, Betreuung oder therapeutische Maßnahmen abgestimmt und organisiert werden müssen. „Eine weitere Herausforderung ist die Gleichzeitigkeit von Kommunikation (…)“ (Wörle et al., 2023, 2023, S. 69). Da nicht alle Beteiligten immer erreichbar sind, werden Informationen oft zeitversetzt weitergegeben, beispielsweise durch hinterlassene Notizen oder digitale Nachrichten. (vgl. Wörle et al., 2023, S. 69–70)
Renyi et al. untersuchten die Komplexität individueller Pflegenetzwerke, indem sie die Zusammenarbeit aller an der Pflege beteiligten Akteure durch eine Analyse der Netzwerkinfrastruktur betrachteten und eine Matrix zur Klassifikation der Kollaborationskomplexität entwickelten. (vgl. Renyi et al., 2022, S. 526–529) Sie beinhaltet Elemente wie die Zusammensetzung der Beteiligten, die Organisation der Aufgaben sowie Kommunikationswege und den Austausch von Informationen. Mit Hilfe der Matrix können Pflegenetzwerke in fünf Kategorien typisiert werden, die jeweils die Struktur und die Zusammenarbeit im Netzwerk kennzeichnen. (vgl. Renyi et al., 2022, S. 534–538)
In ihrem Aufsatz für das Sammelwerk Digitale Chancen in der häuslichen Pflege nutzen fasst Renyi et al. die Netzwerktypen wie folgt zusammen (vgl. Renyi & Gaugisch, 2023, S. 79):
1. Der Dirigent – ein organisiertes Netzwerk mit bedarfsgesteuerter Kommunikation.
2. Alles außer einem Team – ein Netzwerk mit klarer Aufgabenteilung, jedoch unklaren Kommunikationswegen.
3. Getrennt und doch verbunden – ein Netzwerk mit geteilter Koordination und Organisation.
4. Die Aufgeräumten – ein organisiertes Netzwerk mit klarer Aufgabentrennung und geregelter Kommunikation.
5. Auf dem Jahrmarkt – ein großes Netzwerk mit hohem Abstimmungsbedarf.
„Aufgrund der Verschiedenheit in der Zusammensetzung der Akteure, der Organisation und Koordination der Aufgaben sowie der Kommunikation unterscheiden sich auch die zu erzielenden Mehrwerte durch Techniknutzung bei den einzelnen Typen“ (Renyi & Gaugisch, 2023, S. 79). Aus diesem Grund kann es hilfreich sein, eine Analyse des Pflegenetzwerkes durchzuführen, um potenzielle technologische Vorteile zu identifizieren und diese gezielt im Implementierungsprozess einzusetzen. (vgl. Renyi & Gaugisch, 2023, S. 79)
Quellen:
Bubolz-Lutz, E. & Kricheldorff, C. (2006). Freiwilliges Engagement im Pflegemix: Neue Impulse. Lambertus-Verlag. http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:31-epflicht-1307662
Renyi, M. & Gaugisch, P. (2023). Komplexität bei der Zusammenarbeit im Helfermix häuslicher Pflege als Herausforderung für erfolgreiche Technikimplementierung: Fünf Fallbeispiele. In F. Fischer & J. Zacher (Hrsg.), Digitale Chancen in der häuslichen Pflege nutzen (S. 77–85). Springer Verlag.
Renyi, M., Gaugisch, P., Hunck, A., Strunck, S., Kunze, C. & Teuteberg, F. (2022). Uncovering the Complexity of Care Networks – Towards a Taxonomy of Collaboration Complexity in Homecare. Computer Supported Cooperative Work (CSCW), 31(3), 517–554. https://doi.org/10.1007/s10606-022-09433-8
Wörle, T., Deisenhofer, K. & Geiselhart, J. (2023). Kollaborationsunterstützende Informations- und Kommunikationstechnologien für häusliche Pflegenetzwerke. In F. Fischer & J. Zacher (Hrsg.), Digitale Chancen in der häuslichen Pflege nutzen (S. 67–75). Springer Verlag.